Dienstag, 21. Juli 2009

Masha Qrella - Speak Low


Maurice Summen, Sänger der Neo-NDW-Band "Die Türen" (unten eine kleine Konzertkritik) jubelt in der aktuellen Spex über das neue Album von Masha Qrella. In der Tat ist der Berliner Songwriterin und ihrer Band auf "Speak Low" ein milchweicher Popsound gelungen. Dem Whitest Boy Alive - Produzenten Norman Nietzsche (Masha Qrellas Lebensgefährten) diesen sympathischen, aufgeräumten Klang zuzusprechen ist ein spannender Gedanke. ABER: Summens Urteil, Songs von Kurt Weill und Frederick Loewe, die vor den Nazis aus Deutschland flohen, würden sich in den Masha Qrella Songs "ihren Weg in die Berliner Republik zurückzwitschern", ist etwas übertrieben. Kurt Weill ist hier berühmt für seine Songs aus "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" und der "Dreigroschenoper", wurde in der Emigration berühmt für seine Broadway-Musicals. So wie Frederick Loewe, insbesondere für "My Fair Lady". Während sich in frühen Musicals aber Theaterambition und Wohlklang noch die Hand reichen können, zeigt "Speak Low" doch eher, dass die heutige, fragmentiertere Musikwelt von einer Auseinanderbewegung gekennzeichnet ist. Jede Gruppe drückt den Bauklotz Weill mit aller Gewalt in Ihren Stil, sei es nun Avantgarde, Kabarett oder eben deutscher Etabliertenpop. Pop heute ist vielleicht am ehesten das, was Weill ausmachte. Aber die "Vier Akkorde und ein Riff"-Strukturen von "Speak Low" werden der bahnbrechenden Fantasie von Weill und Loewe einfach nicht gerecht. Beim Auftritt im Haus der Kulturen der Welt 2007, für den die Coverversionen entstanden waren, war das noch etwas anders. Gerade der produzierte Sound ist auf der CD nun zu stimmig, die Rotzigkeit eines Weill-Songs, gesungen von seiner Frau und Muse Lotte Lenya, steht da doch für etwas sehr anderes. Es duftet nach PR-Masche.

Nun, das Wort Inspiration ist ja sehr dehnbar.
Wer die Originale kennt, findet sie in der Qrella-Version manchmal wieder und lustig. Anstatt sie als politische Wiederbelebung historischer Persönlichkeit zu verstehen (wer weiss schließlich, ob Summens Kritik Masha Qrella überhaupt gefällt) sollte man "Speak Low" einfach als ganz gute Popsongs geniessen. Mehr als an Musicals oder Mackie Messer erinnern mich Masha Qrella z.B. an I Am Kloot.



Übrigens:
Die Beschäftigung aus der Sicht "Ernster Musik" mit Weill und anderen von den Nazis vertriebenen oder im KZ Theresienstadt getöteten Künstlern (die dann allerdings wesentlich anders klingen) leistet seit Jahren Albrecht Dümling, ehemals Autor des Berliner Tagesspiegels, mit seinem Verein "musica reanimata". Hier ein Artikel, den ich einmal darüber geschrieben habe. Ebenfalls mit diesem Thema setzt sich eine neuere Veröffentlichung der Mezzo-Sopranistin Anne Sofie von Otter auseinander.


Nachfolgend nun eine alte Kritik eines Türen-Konzertes.

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