Dienstag, 27. Oktober 2009

Konzert von Sunn O))) (s.u.) - Metalltheater

Sunn O))) werden wohl [san] gesprochen. Das "O)))" soll angeblich die Sonne symbolisieren. Von der dürften Sunn O))) allerdings nur selten was sehen. Allein schon wegen des vielen Kunstnebels. Zuerst die verhältnismässig konventionelle, wirklich gute Vorband. Zu zweit haben  "Eagle Twin" (Wortspiel Wortspiel) ihre dichten Songs fest im Griff. Klassisches Metal-Kompositionen auf zwei Instrumente eingedampft. Sunn O))) inszenieren sich dagegen sehr viel mystischer. Zunächst minutenlanges Einschwingen zu Mönchsgesang. Dann kam die Band auf die Bühne. Bis dahin hatte das Berliner Publikum im Berghain lieber noch a bissl miteinander gequatscht. Ging nun nicht mehr, die Musik war ruhig, dabei aber laut und gewaltig.

Das Transzendentale der Musik von Sunn O))) ist ausgeklügelt aber letztlich auch plump. Meditation mit Bierchen in der Hand im angesagtesten Club der Stadt? Hm. Metal, Noise und Hardcore suchen seit jeher die wahre Echtheit, doch wie passt das mit Avantgarde-Allüren von Bands wie Sunn O))) zusammen? Gastsänger und Tour-Frontmann Attila Csihar zeigte sich während des Konzertes nur maskiert, mumienhaft erst, später als Metallplattenmann mit Laserpointern in den Fingern und Stahlspitzenkrone. Mit ihrem Namen wie auf der Bühne: Zeichentheoretisch betrachtet verlangen Sunn O))) vom Hörer und Zuschauer, sich ähnlich eines Kinoerlebnisses in die kreierte Situation hineinzuversetzen, als wäre sie vollständig wahr. Die symbolische Distanz eines Theaterstückes fehlt, es wird versucht eine Welt zu simulieren,  sie für den Moment wirklich werden zu lassen. Kino. Wer wie ich nicht voll drin ist, in der Ästhetik von Sunn O))), der wird daher Längen erlebt haben, Momente der Langeweile. Jens Balzer oder wer auch immer anschliessend auflegte kann auch nicht ganz drin gewesen sein im Sunn O))) Kino. Sonst hätte er den frisch durchgespülten Gehörgängen wohl kaum Anthony and The Johnsons und Disco zugemutet.

Trotzdem kein schlechtes Konzert, auch nicht für uns Laien. Konsequente Klanggewitter mit langen Spannungsbögen waren es. Was man klangextremistisch alles aus dem einzelnen Anschlag einer Gitarrensaite rausholen kann! Insgesamt war das Ganze schon faszinierend, auch, weil Attila Csihar (ehemals Mayhem) zu denen gehört, die die Kunst des Oberton-Gesanges beherrschen. Beim Obertongesang, für den das Volk der Tuva aus der Mongolei berühmt ist (Throat-Singing), werden mit dem selben Kehlkopf gleichzeitig zwei Töne produziert. Ein sehr tiefer Brummiger. Und ein lauter hoher, höher als der einer kleinen (Piccolo-)Flöte. Der hohe Tön entsteht als Oberton, als verstärkter Teil des tiefen Tons. Mehr dazu später. Klingt jedenfalls beeindruckend. Und passt ausgezeichnet in die martialische Welt des Metal, des Doom-Drone etc.

Freitag, 23. Oktober 2009

BERLIN, 23.10. - Sunn O)))


Sunn O))) im Berghain in Berlin. Mehr Underground-Hype geht wohl nicht. 


Lassen wir uns aber nicht nur die Ohren versohlen. Die ausgezeichnete Anlage des Berliner Berghains verspricht die Feinheiten im Dröhnen abzubilden. Und auf diese Erfahrung kommt es bei Sunn O))) wohl an.




Wer übrigens findet, dass Underground und Hype sich ja wohl ausschließen, der bedenke, dass diese so wunderschön perverse Wortpaarung die Popmusik schon lange begleitet.

Donnerstag, 22. Oktober 2009

Die drei Ausrufezeichen

Das Aavikko-Konzert war im kleinen West Germany in Berlin ratzfatz ausverkauft (am Abend zuvor in Leipzig waren wohl nur vier Besucher gekommen). Treibendes handgemachtes Schlagzeug und entrückte Synthies irgendwo zwischen wild und präzise, zwischen Gianna Sisters und den drei ???, zwischen Tanzen und Elektroträumen.

Nehmt Aavikko mit, wo Ihr nur könnt.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

BERLIN am 17.10. - Aavikko sind auf Tour




Myspace


Die großartige und dreiköpfige finnische Yamahasynthieband Aavikko tourt auch durch Deutschland. They play - you dance. In Berlin sind als Support Ben Butler and Mousepad dabei, Henning Watkinson (Ex Jeans Team) legt auf.

Hier alle Termine:


6.10.DE-Hamburg - Uebel & Gefaehrlich
7.10.DE-Köln - Studio 672
9.10.CH-Schaffhausen - Club TapTab
10.10.CH-Zürich - Exil
12.10.CH-Luzern - Südpol
13.10.DE-München - Rote Sonne
14.10.DE-Jena - Kassablanca Turmbühne
15.10.DE-Leipzig - Ilses Erika
16.10.DE-Dresden - Groove Station
17.10.DE-Berlin - West Germany
21.10.NL-Den Haag - Haagse Popweek
22.10.NL-Eindhoven - Dutsch Design Week
23.10.NL-Utrecht - Db´s
24.10.NL-Alkmaar - Victorie
24.10.NL-Amsterdam - Amsterdam Dance Event at Flexbar


Dienstag, 13. Oktober 2009

BERLIN 13.10. - China Rock Festival






Heute im Kesselhaus findet der Auftakt einer kleinen Deutschlandtour (+ Wien) des China Rock Festivals statt.


Carsick Cars, Joyside und Special Guest


Zwei Bands aus China - hierzulande schon nicht mehr ganz unbekannt dadurch, dass die Carsick Cars Vorgruppe von Sonic Youth sind und durch den Film "Beijing Bubbles". Dessen Macher Susanne Messmer und George Lindt (die Betreiber der Labels Fly Fast und Lieblingslied Records) sind auch die Veranstalter dieser Tour.


Hier der Trailer - unten die weiteren Termine. (Das geplante Kölner Konzert am 22. musste leider entfallen)


Popmusik hat in China eine lange Tradition, ist aber erst seit der wirschaftlichen Öffnung in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern wieder am florieren. Gerade der Rockmusik kam (wie ja auch in der ebenfalls sozialistischen DDR) eine besondere Rolle zwischen Politikum und Individualisierungserlebnis zu. Manche Anfänge waren für westliche Ohren noch allzu unbedarft. Bis heute hat sich aber viel getan und manche der Bands sind durchaus ernst zu nehmen. Ausserdem haben Punk- und Rockbands Chinas etwas, was den mitteleuropäischen Kollegen heute abgeht: Sie sind noch echte Kultur-Opposition.








13.10. BERLIN KULTURBRAUEREI KESSELHAUS
14.10. FRANKFURT ELFER
15.10. MARBURG KNUBBELCENTER
16.10. MÜNCHEN HAUS DER KUNST
17.10. WIEN FLUC




Fly Fast Records


Lieblingslied Records
check out: Poptastic Conversation China - Chinesische Bands singen Deutsch und umgekehrt!
u.a. Die Ärzte mit "Erzi" (Junge) und Die Sterne


Montag, 5. Oktober 2009

NAMEDROPPING - Paul Broia am 5.10.2009




Billie Holiday

Randy Barracuda - nervöser Electro mit Arschbewegungsgarantie

DJ Vadim

Sarah Jones

Digable Planets

3:35 MINUTEN für Billie Holiday - Strange Fruit

Pop-Musik ist Kunst, weil sie nicht nur ein reines Vergnügen ist, sondern auch aufbegehren kann. Sogar ein Mittel zu Protest und Aufschrei sein kann. Schrecken und Genuss zugleich. Gut ist Protest in der Kunst oft nur, wenn er rein klanglich bleibt oder ganz dezent gehalten ist. Manchmal ist er aber auch überdeutlich und trotzdem große Kunst.


Unten der düstere Text dieses Songs von Billie Holiday. Ein Song gegen rassistische Lynchmorde von 1939, als Rassismus in der Popmusik noch kein Thema war. Ihr Aufschrei ist wirklich schauderhaft gelungen. Die wolkenverhangen Klänge verbinden auf sarkastische Weise die Machtlosigkeit der Schwarzen mit der schweren Luft des Südens. Auch textlich werden Süden (Naturverbundenheit) und Morden aufs Bitterböseste verschränkt:



Southern trees bear strange fruit,
Blood on the leaves and blood at the root,
Black bodies swinging in the southern breeze,
Strange fruit hanging from the poplar trees.

Pastoral scene of the gallant south,
The bulging eyes and the twisted mouth,
Scent of magnolias, sweet and fresh,
Then the sudden smell of burning flesh.

Here is fruit for the crows to pluck,
For the rain to gather, for the wind to suck,
For the sun to rot, for the trees to drop,
Here is a strange and bitter crop.

Samstag, 3. Oktober 2009

Chinese Dub vs. The Orphan of Zhao



Jah Wobble hat 2007 ein Kooperationsprojekt mit chinesischen traditionellen Musikern auf die Beine gestellt. Ungleichberechtigter Verwurstung von "exotischen Klängen" kann dieses Projekt widerstehen. Nach dem ersten Hören des Albums "Chinese Dub" finde ich: Das Ganze ist irgendwie nicht mehr als die Summe seiner Teile. Interkulturell top - musikalisch naja.

Eine ziemlich andere, nicht so ganz gleichberechtigte, aber trotzdem gelungene Mischung ist die Theatermusik zu "The Orphan of Zhao" von Stephen Merritt, veröffentlicht auf dem großartigen Album "Showtunes".



Donnerstag, 1. Oktober 2009

Of Montreal - Skeletal Lamping


Of Montreals neuestes und nach allem was ich überschaue vollendetstes Album „Skeletal Lamping“ höre ich nun schon viele Wochen. Eine Popexplosion – rausgekommen Ende 2008. Skeletal Lamping klingt, als wären die Beatles in einen Gay-Disco-Zaubertrank gefallen. Weitere Zutaten sind Queen, Prince vielleicht Roxy Music... Genausogut könnte man aber wohl Animal Collective nennen oder Modest Mouse. Namedropping. Pfui!

Was auch immer man assoziiert, man tut es immer nur kurz, denn quasi jeder Song zeichnet sich dadurch aus, dass er mindestens zehn verschiedene Teile hat. Nein, ich habe nicht nachgezählt, aber so wirkt es, manchmal schaue ich auf die Titelanzeige, ob das eigentlich noch der gleiche Song sein soll. Meist schon, manchmal bin ich dann aber auch schon zwei Titel weiter. Die Songs wirken entweder schrecklich unruhig oder - und dafür möchte ich plädieren - wie ein gutes Medley: Of Montreal reihen einen Haufen nicht fertig geschriebener Hits aneinander. Auf sinnvolle Art. Zwar wäre es wohl zuviel behauptet, jeder neue Teil sei die logische Konsequenz aus dem vorigen, völlig anderen Teil. Kein großes Gesamtkonzept steht dahinter aber auch kein Zufall wie beim Zapping sondern schlicht ein Gespür für Kontraste. Anspielen und Weiterklicken ist heute Zeitgeist, Of Montreal machen daraus kunstvolles Handwerk. Das funktioniert natürlich nur, weil die musikalischen Ideen selbst gut sind. Ein bisschen wie die Sets guter Hip-Hop-DJs: Das Besondere ist, dass man sich in den Einzelteilen sofort zu Hause fühlt.

Für Vinylkäufer gibts das obenstehende Die-Cut-Pony-Poster - ebenfalls eine Collage.

Diese drei Songtexte mal als Beispiel:

wicked wisdom
plastis wafers
st. exquisites confessions

Dienstag, 15. September 2009

NAMEDROPPING - Paul Broia am 15.9.2009

Ich war mal kurz weg.

Carlton Patterson
Niobe - White Hats
Comus
Mulatu Astatke
Glen Brown
Billie Holiday - Strange Fruit
A Hawk & A Hacksaw
Q and not U
Quit Your Dayjob - Pissing on a Panda
Aquabella

Sonntag, 9. August 2009

Siba e a Fuloresta


Siba ist in Pernambuco, einer Region an der Nordküste Brasiliens ein Hansdampf in allen Gassen. Er kennt viele traditionelle Musiker, die ihn so sehr verehren, wie er sie. Denn Siba gelingt es, traditionelle Musik nicht nur als Kolorit mit seinen modernen Ideen zu verschmelzen, sondern eine gleichberechtigte Legierung herzustellen.

Nachschlagen - glücklich werden

Freitag, 7. August 2009

Diedrich Diederichsen ist gegen den Flaneur

Diedrich Diedrichsen ist der Papst der intellektuellen Popmusik-Kritik Deutschlands. Lange Jahre war er Herausgeber der Zeitschrift „Spex“, ausserdem Musikkritiker für den Berliner „Tagesspiegel“ und „konkret“ Hochschuldozent und Jurymitglied in der Bundeskulturstiftung. Ich hatte einmal überlegt diesen Blog irgendetwas mit „Flaneur“ zu nennen. Diedrich Diedrichsen wäre dagegen gewesen. Denn ein Flaneur ist jemand, der teilnahmslos unherstreift.

Diedrichsen spricht sich aus gegen Feuilletonismus und gegen teilnahmslose Kritik. Auch „intellektuell“ würde er sich also wohl nicht nennen wollen. Distanzierte Teilnahmslosigkeit ist das Schlimmste bei Popkritik. Das betrifft für ihn auch den Typus des „ewigen Flaneurs“ sowie des „erlebnishungrigen Touristen“. Stattdessen steht laut Diedrichsen die Kritik und Beschreibung von Pop-Musik vor dem Problem, sowohl ernst und umsichtig als auch teilnehmend und betroffen sein zu müssen: „Pop-Musik-Kritiker haben ein Problem, das andere professionelle Chronisten von Kunst und Kultur nur in Ausnahmefällen kennen: es reicht nicht, dass sie beobachten und beurteilen, sie müssen bezeugen.“ Damit meint Diedrichsen nicht etwa eine Erwartungshaltung der Leserschaft oder der Verleger. Im Gegenteil – zu oft sind hier nur Lockerheit und „Egojounalismus“ gefordert. Nein, es ist der Gegenstand an sich, die Pop-Musik, der mehr noch als andere Musik erst über die Rezeption der Hörer und Fans zu einem Kunstwerk wird. Ob ein Popsong gut ist, entscheidet nicht das Werk selbst, sondern die Rezeption. Daher kann auch kein Kunstkritiker Pop-Musik beurteilen, ohne die Hörer zu kennen und mit Ihnen mitzufühlen. Denn auch aus rein musikalischer Perspektive grottige Stücke (in der klassischen Musik etwa gibt es diese Perspektive), können zum großen Ereignis der Popmusik werden, d.h. für eine bestimmte Gruppe von Menschen auch zum großartigen Ereignis. Und das ist legitim – so sehr manche auch die Nasen rümpfen. Das Naserümpfen Anderer ist sogar oft eine der Hauptvoraussetzungen für gelungene Pop-Musik.

Allerdings – wirft Diedrichsen ein - ist das Ziel von Popmusik nicht einfach Abgrenzung im Sinne von Ausschluss. Distinktionen sind „nicht per se böse“: „Sie setzen noch existenziell erlebte Unterschiede in den nivellierten Alltag der Warenwelt – Positionen und Lebensentwürfe und was davon noch übrig ist, die weder religiös-reaktionär begründet sind noch einfach in der warenförmigen Diversität von Produktpaletten aufgehen.“

Muss man, um Popmusik zu verstehen, den ganzen Lebensentwurf mitleben? Nun gut, auch Diedrichsen ist wohl nicht ständig „drei Tage wach“ im Berghain zu finden. Und wo man es von ihm erwartet protzt Diedrichsen gerne mal auf abschreckende Weise mit seinem Intellekt und hat dabei schon so manchen Leser ausgeschlossen und auch so manchen Musiker. Einmal habe ich ihn im Gespräch mit Lou Reed gesehen. Diedrichsen versuchte Reed eine poptheoretische Reflexion zum Album „Metal Machine Music“ abzuluchsen. Nicht abwegig, denn „Metal Machine Music“ war eine Doppel-LP auf der beinahe ausschließlich E-Gitarrenrückkopplungen zu hören sind. Doch Lou Reed beharrte auf einer „Hauptsache es rockt“-Masche. Der Frontmann von The Velvet Underground und mit „Walk on the Wild Side“ als Solokünstler berühmt Gewordene wollte nichts hören davon, dass er das Album als Protest gegen seinen Mainstreamerfolg gemacht haben könnte, dass er vor dem Album einen bindenden Plattenvertrag über mehrere Alben hatte. Und danach nicht mehr. Und über eine transzendentale oder agitatorische Botschaft seiner Rückkopplungen wollte er sich auch nicht unterhalten.

Über Popmusik zu reflektieren ist eben schwierig, weil die argumentativen Grundlagen „uneingeführt“ sind. Bei den Hörern und bei den Musikern. (Und bei den Lesern des Tagesspiegel) „Man muss jedes Mal alles neu erklären.“ Vielleicht ist das „Erklären“ auch der falsche Modus. Letztlich steht Diedrichsen für den Verkopften Kenner-Helden, der auch mal Sätze mit etwas zu vielen Fremdwörtern schreibt.

Doch auch wenn diese Art die Falsche sein mag. Diedrichsen tritt dafür ein, dass Popmusik bedeutsam ist und nicht nur ein Unterhaltungsangebot. Das Popmusik etwas über seine Hörer ausdrückt, was man mit Worten noch nicht oder gar nicht sagen kann. Wäre die Welt eine bessere, wenn wir alle so dächten?

Von Detlef Diedrichsen sind neben diversen anderen Veröffentlichungen seine gesammelten Kritiken von 1979 bis 1999 sowie seine Kritiken für den Tagesspiegel von 2000 bis 2004 erschienen.

Montag, 27. Juli 2009

Mittwoch, 22. Juli 2009

Adi Gelbart - Studio Performance in 3D


Adi Gelbart, israelischer Elektroeinsiedler in Berlin, hat ein "Studio-Performance-Video" aufgenommen. In 3D. Falls ihr zufällig gerade keine 3D-Brille rumliegen habt, müsst Ihr Euch unter dem Bild auf das linke oder rechte Kameraauge beschränken.

Auch wem dieser Song nun zu Old-School ist: Gelbart ist ein paar Minuten YouTube oder MySpace wert.

Dienstag, 21. Juli 2009

Masha Qrella - Speak Low


Maurice Summen, Sänger der Neo-NDW-Band "Die Türen" (unten eine kleine Konzertkritik) jubelt in der aktuellen Spex über das neue Album von Masha Qrella. In der Tat ist der Berliner Songwriterin und ihrer Band auf "Speak Low" ein milchweicher Popsound gelungen. Dem Whitest Boy Alive - Produzenten Norman Nietzsche (Masha Qrellas Lebensgefährten) diesen sympathischen, aufgeräumten Klang zuzusprechen ist ein spannender Gedanke. ABER: Summens Urteil, Songs von Kurt Weill und Frederick Loewe, die vor den Nazis aus Deutschland flohen, würden sich in den Masha Qrella Songs "ihren Weg in die Berliner Republik zurückzwitschern", ist etwas übertrieben. Kurt Weill ist hier berühmt für seine Songs aus "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" und der "Dreigroschenoper", wurde in der Emigration berühmt für seine Broadway-Musicals. So wie Frederick Loewe, insbesondere für "My Fair Lady". Während sich in frühen Musicals aber Theaterambition und Wohlklang noch die Hand reichen können, zeigt "Speak Low" doch eher, dass die heutige, fragmentiertere Musikwelt von einer Auseinanderbewegung gekennzeichnet ist. Jede Gruppe drückt den Bauklotz Weill mit aller Gewalt in Ihren Stil, sei es nun Avantgarde, Kabarett oder eben deutscher Etabliertenpop. Pop heute ist vielleicht am ehesten das, was Weill ausmachte. Aber die "Vier Akkorde und ein Riff"-Strukturen von "Speak Low" werden der bahnbrechenden Fantasie von Weill und Loewe einfach nicht gerecht. Beim Auftritt im Haus der Kulturen der Welt 2007, für den die Coverversionen entstanden waren, war das noch etwas anders. Gerade der produzierte Sound ist auf der CD nun zu stimmig, die Rotzigkeit eines Weill-Songs, gesungen von seiner Frau und Muse Lotte Lenya, steht da doch für etwas sehr anderes. Es duftet nach PR-Masche.

Nun, das Wort Inspiration ist ja sehr dehnbar.
Wer die Originale kennt, findet sie in der Qrella-Version manchmal wieder und lustig. Anstatt sie als politische Wiederbelebung historischer Persönlichkeit zu verstehen (wer weiss schließlich, ob Summens Kritik Masha Qrella überhaupt gefällt) sollte man "Speak Low" einfach als ganz gute Popsongs geniessen. Mehr als an Musicals oder Mackie Messer erinnern mich Masha Qrella z.B. an I Am Kloot.



Übrigens:
Die Beschäftigung aus der Sicht "Ernster Musik" mit Weill und anderen von den Nazis vertriebenen oder im KZ Theresienstadt getöteten Künstlern (die dann allerdings wesentlich anders klingen) leistet seit Jahren Albrecht Dümling, ehemals Autor des Berliner Tagesspiegels, mit seinem Verein "musica reanimata". Hier ein Artikel, den ich einmal darüber geschrieben habe. Ebenfalls mit diesem Thema setzt sich eine neuere Veröffentlichung der Mezzo-Sopranistin Anne Sofie von Otter auseinander.


Nachfolgend nun eine alte Kritik eines Türen-Konzertes.

Die Türen nach Reinickendorf

(Maurice Summen)

Über ein "Guerillakonzert" im Frühjahr 2008

Lasse hat bei dem Radiopreisausschreiben mitgemacht, nur weil die Frage interessant war. Womöglich hat jeder mit der Antwort A, 1861, Eintrittskarten gewonnen. Seit wann existieren die heutigen Stadtgrenzen Berlins? Nun findet Lasse sich mit anderen Radiohörern in Reinickendorf in einem ehemaligen Waschhaus wieder, eigens hergerichtet für ein sogenanntes Zimmerkonzert der Berliner Band „Die Türen“. „Ein Konzert nur für Gewinner“ ist angekündigt, ironischer Gegensatz zum Cover des dritten Albums im Alditütendesign. Mit Ironie lässt sich anfangs fast alles scheinbar aufwerten. „Sms“, „Simpsons“ und „Sudoku“, in den Textern von Sänger Maurice Summen wird die aktuelle Oberfläche ganz nach Art der Neuen Deutschen Welle überhöht. Doch während bei anderen Epigonen von Trio und Co „die Seele schwarz wie eine Cola“ ist (Mediengruppe Telekommander), belassen es die Türen – getreu ihres Namens – in Songs wie „Everybody’s Darlehen“ oft nur beim Wortspielwohlgefühl. Weil die Band die Dynamik ihres an Discosoul angelehnten Sounds perfektioniert hat, sind immerhin gerade einige der neuen Songs facettenreicher und treibender und wo die Türen die Oberflächlichkeit ins Fanatische steigern können, entsteht aus der Ironie ein tieferer Sinn. Bar jeder Vernunft. Die Richtung stimmt also, es fragt sich nur, wie weit man geht. Wem die Köpfe nicht rot genug geworden sind, der hat wenigstens Reinickendorf kennen gelernt und das war auch das Ziel des Ganzen, denn der Auftritt war Teil der Konzertreihe einer Wohnungsbaugesellschaft in Berlins Außenbezirken. „Wir zeigen uns von unserer spießigsten Seite.“ Lasse will zwar zunächst nicht nach Reinickendorf ziehen. Aber wer weiß, im Pop hat am Ende noch immer die Ironie gewonnen.

Mehr dazu auf Video (watchberlin)

PS: Lasse zieht die Tage um, von Neukölln nach Kreuzberg. Reinickendorf muss noch ein wenig warten.

Freitag, 17. Juli 2009

NAMEDROPPING - Paul Broia - 17. Juli 2009

Chango Spasiuk
Lee "Scratch" Perry
Horace Andy
Adrian Sherwood
The Gist
Creedance Clearwater Revival
Beirut
High Places
Primal Scream - Come Together
Untold
Lee Jones - Safari
Ed C - G Movimente (Fowlkes Mark Remix)
DJG - Bunker

High Places MySpace-Kritik – Wann ist ein Spiel ein Spiel


Eine bestechend einfache Idee, die Hintergrundfarbe der Myspaceseite in ständigem Wechsel durchs Farbspektrum laufen zu lassen. Die „Farbwelt“, wie das Konzept der Farbauswahl im Fachjargon der Designer und Architekten wohl heisst, ist dabei grell. Psychedelisch, ganz klar. Das kindlich verspielte der Musik (Coco Rosie, Animal Collective und andere New Yorker lassen grüßen) wirft die Frage auf: wie lange kann man mit diesem Topos spielen? Wie lange dauert es, bis die bewusst einfachen Melodien auch ein sehr einfaches Hören provozieren? Was tun High Places dafür, dass man sie nicht nur als fröhlich und nett hört? Breakbeatfetzen wie in „From Stardust to Sentience“ verhindern nicht, dass eine schöne aber sehr simple Melodie schnell langweilig wird. (Kennt jemand noch „Lamb“?). Da sind einige rhythmische Finessen in „Golden“. Den Raum ausmessende Geräusche in „Head Spins“. Manches macht richtig Spass!

High Places werden, wohl auch aufgrund ihres Umfeldes, gerne mit den höchsten intellektuellen Massstäben gemessen, welche die Popkritik so hergibt. Nur vom Klang ausgegangen muss man aber sagen: High Places sind nur eine von vielen Bands, die gerade den gleichen Stil pflegen. Lo-Fi Pop, ein paar globale Rhythmen eingestreut (in „Shared Islands“ und „New Grace“) mehrstimmiger, halliger und verträumter Frauengesang. Eine eindeutig ambitionierte Band, die sich aber – das braucht man ihr natürlich nicht vorzuwerfen – kaum bemüht, nicht auch als Klangtapete gebraucht werden zu können.

PS: Diese Kritik entstand im März 2009. Inzwischen wechselt die Hintergrundfarbe nur noch in verschiedenen Graustufen...


Donnerstag, 16. Juli 2009

Steve Bug MySpace-Kritik


Dann wollen wir mal eine neue Rezensionsform einführen: Die Myspace-Kritik. Rezensiert wird alles, was einem auf der MySpace-Seite eines Künstlers entgegenschlägt. Angefangen bei der Musik:


http://www.myspace.com/buginmyspace


Steve Bug ein vor allem für seine veröffentlichen Mixes ("Da Minimal Funk", "Bugnology") bekannter DJ, Labelbetreiber (Poker Flat) und Produzent. Deephouse küsst Techno = Minimal House.
Die Songs seines MySpace-Players kommen fast alle von seinem neuen Album Collaboratory. Angenehm sofort, dass Steve Bug den Bass nicht alle parts und Strukturen vom Bass bestimmen lässt. „mr. suitcase“ ist noch eine etwas gewöhnliche, mit Synthiesounds verschiedener Epochen spielende Nummer. Aber „Month of Sip“ ist der Kracher! Deep aber ohne zu bremsen ist der Boden bereitet für ein Spiel mit dem gepitchten Ton. Die Beugungen der Tonhöhe treffen dabei genau den Sweet Spot zwischen öder Wiederholung und ätzend selbstverliebter Gitarrensoloattitüde. Live oder produziert: Das ist schwierig. Probierts mal selbst aus.

Die Liebe zu alten Sounds (Acid?) ist auf „swallowed too much bass“ wieder da. Um es mit den Worten des Berliner Komikers Fil zu sagen: Retro kommt nie zu Spätro.

„strong moment feat. cassy“ macht seinem Namen keine Ehre. Schlicht nicht gut gesungen. Steife Jazzsamples. Grausig.

Mit „Trees Can’t Dance“ und „my Chihuahua bites” kehren wir – dem Himmel sei Dank - aber wieder auf Steve Bugs gewohntes Terrain zurück.

Gespannt bin ich übrigens auf den Track „Passing Clouds“ den Steve Bug auf seinem neuen Album mit dem von ihm gesignten Simon Flower zusammen gemacht hat. Ein sehr netter DJ aus Auckland, Neuseeland. Zurückgenomme, sportliche, ein wenig am alten orientierte Sounds vom Feinsten. Richtiggehend klug.


PS: Der Rest der Seite ist schlicht. Wer 53133 Freunde hat braucht keinen Glamour.

Mittwoch, 15. Juli 2009

NAMEDROPPING - Paul Broia - 14. Juli 2009

Toni Iordache
Steve Bug - f9
Of Montreal
Crookers
Kama Aina
Broadcast - Tears In The Typing Pool
David Bowie - Space Oddity