Mittwoch, 29. Juni 2011

Zwei Platten auf zu neuen Klangufern

Zwei poetische Platten sind neu herausgekommen, die beide nicht viel mehr gemeinsam haben als das ich sie gerade höre UND: das hier bereits eingermaßen etablierte Künstler ihren bisherigen Stil mit klanglichem Erfindungsgeist auffrischen.
Es geht hier natürlich nicht darum, welche Platte nun besser ist, schließlich ist Musik ja kein Wettbewerb.

Zu Bon Iver von Bon Iver:
Musik in die man sich mit verbundenen Augen rückwärts hineinfallen lassen kann. Wer die Augenbinde beim Hören wieder abnimmt wacht auf in einer weichen Wolke voller verschiedener Instrumente und Klänge. Hier ein paar Bläser, da ein paar zarte Rückkopplungen, die nur für einen ganz kurzen Part eingreifen. (Hui! Das wird schwierig bei der Umsetzung live). Mir ist es allerdings etwas zu gefühlsduselig wenn Bon Iver auch trotz dieses Pathos meistens geschmackvoll bleibt. Romantik ohne Kitsch quasi, dazu runde Melodien, aber nichts was das Ohr beleidigt. Und sehr geschickt produziert, mit vielen kleinen verspielten Details, zB die militärische Trommel im ersten Song und die verschiedensten Anpassung der Gitarrenverzerrung. Bon Iver erlaubt sich mehr als vorher, singt sogar mal in tiefer Stimmlage. Die Lyrics sind dabei meist verschwurbelte „You and me“-Texte. Nur am Ende greift er mit „Beth/Rest“ wirklich zu tief in den Schmalztopf. Ein echter Fehltritt, wie ein schlechter Mark Knopfler in Bochum auf Auto-Tune. Aber reden wir nicht weiter davon.


Zu Celebration Florida von den Felice Brothers:
Reden wir lieber hiervon: Á Propos verschwurbelte Texte. „Oliver Stone you really like the movies – Oh what a night for dancing with the one you love“. Die Felice Brothers (drei Bandmitglieder sind echte Brüder) zeichnete bislang aus, dreckige Texte und eine dreckige Attitüde in den gold-glänzenden Americana-Sound zu bringen. Auf diesem dritten Album der Band rückt aber auch die Musik ab von einem einheitlichen Stil. Manches ist cleaner produziert, dafür schreien aber nun Kinderschulchöre dazwischen, Beats und Samples zerlegen hier und da das Bandsetting und der brave Bassist tickt auch mal aus. Die „Dirtbag-Attitude“ hat sich nun ins Songwriting verlagert. Und das scheint eine Befreiung, die Brüder Felice haben sich endlich getraut ihre ganze Versponnenheit offenzulegen. Erfindungsreichtum im Arrangement der Elemente, macht aus jedem Song eine eigene Klanggeschichte. Einige Übergänge sind dabei ganz schön ruppig. Im Autoradio müsste man da schon öfter den Lautstärke-Regler bedienen, wenn man sich nebenbei unterhalten wollte. Aber will man ja gar nicht! Man möchte lieber Ian Felice und seine an Bob Dylan angelehnte aber doch sehr eigen quäkende Stimme verfolgen, über alle Aufs und Abs der Melodien von „Celebration, Florida“ hinweg. Ein bunter Roadtrip, voll tiefer Sehnsucht.

  The Felice Brothers - "Ponzi" [single version] by Loose Music 

Bon Iver wird einigen zu kuschelweich, die Felice Brothers anderen zu zerfahren sein. Hauptsache Euch, die ihr hier am Ende dieses Textes angekommen seid, gefällt eine der beiden Platten

tataratam

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