In ihrer Januarausgabe erklärt die Spex das Ende der Musikkritik und erfindet das „Spex Pop Briefing“ - gedruckte Gespräche jeweils mehrerer Spexautoren, die fortan alle Plattenkritiken ersetzen. Die „medialen Entwicklungen“ würden dies erzwingen. Mehrere Autoren sollen uns Leser nun „briefen“ damit wir mitreden können.
Musikkritikpapst Diedrich Diederichsen findet das falsch. In seinem ihm eigenen Fremdwort- wie Kopf-lastigen Stil fragt der Ex-Herausgeber der Spex in der FAZ: Wozu dann noch die Spex? Diederichsen versteht den Musikkritiker als umfassenden und wissenden Chronisten und als lesenswerten Autor. (Siehe hierzu auch meinen Eintrag vom letzten Jahr.) Ein Gespräch dagegen reduziere jeden Mitstreiter oft auf eine Position. Sie seien billiger bezahlt und schneller gemacht (bzw. umgekehrt). Ein Gespräch läuft eben nicht so elegant und rund wie eine gute Plattenkritik.
Andererseits ist der Schritt der Spex vielleicht auch mutig. Ein Versuch, nicht mehr mit Fachsprache und starken Meinungen auszugrenzen, was man Diederichsen ganz klar vorwerfen kann. Ein Gespräch ist offener als ein gestalteter Text und suggeriert dem Leser, dass auch er bei Gelegenheit mitreden könnte. Außerdem: Mehrere Autoren veräußern in der gleichen Lesezeit noch mehr Wissen.
Nachdem ich die „Pop Briefings“ nun gelesen habe muss ich aber sagen: es sind zu Häppchen verkürzte Einzelkritiken. Aufeinander eingegangen wird kaum. Vorteile der Gespräche, verschiedene Sichtweisen, direktere Sprache oder sogar Intimität findet man besser umsonst und draußen (im Netz). Irgendwer bei der Spex sieht nämlich alle „Briefings“ noch mal durch: „wir achten darauf, dass alles Relevante gesagt und kontextualisiert wird“. Es handelt sich also um rein inszenierte Gespräche. Alter Wein aus neuen Schläuchen. Beziehungsweise nur aus einem blutleereren Abklatsch neuer Schläuche, denn es fehlen die in Fanforen und Blogs nicht unwichtigen Angaben darüber, um welche Uhrzeit ein Eintrag verfasst wurde, ob er geändert wurde und wie viele Verwarnungen oder Kommentare er provoziert hat. Vor allem aber fehlt die Gewissheit, dass da nicht alles getürkt ist. Mehr noch als in Fernseh- und Radiogesprächen kommt ein pseudospontanes „Danke für die Steilvorlage“ hier eher lächerlich.
Solange Max Dax und seine Crew noch üben, behält Diederichsen also leider Recht.
Es ist nicht überzeugend, wenn eine Änderung vor allem dem Ändernden hilft. Indem sie
Geld und Arbeit spart. Und indem sie die Autoren der Verantwortung enthebt, Dopplungen von Begriffen wie „Auto-Tune-Gesang“zu vermeiden oder einen roten Faden zu ziehen. Und vor allem indem sie gleichzeitig aber den ruhmreichen Experten- und Autorenstatus nicht antastet. Von wegen Spex 2.0. Wo wir schon mal dabei sind Netz und Magazine zu vermischen, machen wirs doch gleich alles selbst. Warum eigentlich sollte man lange Texte im Internet nicht an den Nutzer bringen können? Du, herzallerliebster Leser, hast es doch auch ans Ende dieses Blogeintrages geschafft.
Tataratam
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