Dienstag, 23. November 2010

Stilvoll verpasst - Die Gorillaz waren in Berlin

Der Kultur-Großstädter von heute muss vor allem eine Kulturtechnik beherrschen: Das stilvolle Verpassen.

"Sich-nichts-daraus-machen" ist keine stilvolle Option. Wer etwas auf sich hält, der wäre bei all den spannenden Erlebnissen "eigentlich gern dabei". Von wenig Stil und Moral zeugt es allerdings auch, sich dem großstädtischen Ereignismarathon hinzugeben und tatsächlich jeden Tag mehrere Konzerte und Happenings zu besuchen. Nicht nur trocknet man selbst bei diesem Kulturwahn psychisch wie physisch aus. Man macht sich vor allem auch schuldig, Andere mit sich in den wahnwitzigen Strudel der Erlebnis-Scheinriesen zu reissen.

Stattdessen gilt es - wie so oft - den goldenen Schnitt zu finden. Anfänger-Verpassern sehe man nach, wenn sie sich mit Sätzen wie "Da müsste man eigentlich auch hin", "Ja, ich weiß, unbedingt!", "Man kann nicht alles haben" und "Ich muss in der nöchsten Zeit echt mal wieder zu mehr Konzerten gehen" gegenseitig das kulturelle Fasten erleichtern.

Doch hier ist Vorsichtig geboten! Gegenargumente wie "Das Velodrom ist eine schreckliche Location" und "die Gorillaz sind auch ganz schön kommerziell" sind in erster Linie trotzig, so wahr sie auch sein mögen. Und wer es "leider nicht geschafft hat", verrät vor allem falsche Prioritäten, insbesondere wenn er oder sie keine Kinder hat. Auch der hohe Preis ist ein billige Ausrede - und ein stilloser Vorwurf an alle, die die 60 Euro übrig hatten.

Nein, der stilvolle Kulturgroßstädter verpasst mit Empathie: Er hört sich gerne die Jubelarien seiner Bekannten an, die natürlich dort waren, und vermittelt dann als Botschaft in etwa: "Dieses Konzert muss ja echt ein Spektakel gewesen sein. Ich freue mich für Euch, dass ihr dabei wart." Das darf natürlich nicht gönnerhaft oder schematisch klingen. Schwierig, zugegeben. Wem das gelingt, der aber kann ins Nirvana des bewusst wunschlosen Kultur-Verpassers aufsteigen und der wird merken: reines und gutes Verpassen ist ein wahrlich vollwertiger Ersatz für das primitive und lüsterne Gorilla-Gehabe der Hingeher, (denen die Stecknadeln, mit denen sie die Eintritts-Karten an der Zimmerwand über ihrem Bett aufgehängt haben, nachts in Augen und Ohren fahren mögen, den Arschlöchern!)

A propos: Das Hypnotic Brass Ensemble, eine von zahlreichen von den Gorillaz auf die Bühne gezerrten Gast-Bands, ist übrigens auch ganz für sich ein wenig Zeit Wert! Frisch, gekonnt... und einfach stilvoll.

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